Wofür steht nachhaltige Entwicklung?

Der Begriff der Nachhaltigkeit ist schon über 300 Jahre alt, dennoch hat das Leitbild nachhaltiger Entwicklung erst in den letzten Jahrzehnten eine maßgebliche Relevanz in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erhalten.

Bild Sylvicultura Oeconomica

Die Anfänge in der Forstwirtschaft

Frühe Reflexionen zur Notwendigkeit einer auf Dauerhaftigkeit orientierten Wirtschaftsweise lassen sich bereits bis ins 17. Jahrhundert in der Forstwirtschaft in Frankreich und England zurückverfolgen. Anlass war der bis dahin vorherrschende Raubbau in der Forstwirtschaft. Insbesondere in den Bereichen Bergbau, Verhüttung und Schiffbau wurden große Mengen Holz verbraucht, was erlebbar zu einer Verringerung von Waldflächen führte. Davon hat sich der sächsischen Oberberghauptmann Hanns Carl von Carlowitz anregen lassen und in seinem Buch „Sylvicultura oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht und naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht“ diese Gedanken aufgegriffen und weiterentwickelt. In diesem Werk wurde erstmals der Begriff der nachhaltenden Nutzung verwendet („...damit es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe.“) Diese Schrift von Carlowitz aus dem Jahr 1713 gilt bis heute als die Geburtsstunde des Begriffes der Nachhaltigkeit, auch wenn der heutige Begriffsinhalt ein deutlich weitergehender ist.

Zunächst wurde der Carlowitzsche Begriff ausschließlich in der Forstwirtschaft weiter verwendet – immer im Sinne des Verständnisses, dass nur soviel Holz aus dem Wald geholt werden solle, wie dort auch wieder nachwächst.

Bild Our Common Future

Prägung des modernen Nachhaltigkeitsbegriffes im 20. Jahrhundert

Der moderne Nachhaltigkeitsbegriff hat seine entscheidenden Wurzeln in der beginnenden Reflexion globaler Grenzen des Wachstums und einer zunehmenden Sensibilisierung für die Schäden des Wirtschaftens für Mensch und Umwelt in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Den Durchbruch für die moderne Verwendung des Begriffes der sustainable development brachte der Abschlussbericht der Kommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1987, („Our Common Future“) der nach ihrer Leiterin benannten Brundtland-Kommission. Hier wurde eine Beschreibung genutzt, die bis heute als die prägende Zusammenfassung des Prinzips einer Nachhaltigen Entwicklung gilt: „Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“

Der Brundtland-Bricht bildete einen entscheidenden Anstoß zur Durchführung der UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro. Mit der Konferenz wurden erstmals grundlegende Ziele des Umwelt- und Ressourcenschutzes mit den Aspekten einer gerechten wirtschaftlichen Entwicklung in allen Regionen der Welt verknüpft. Das anthroprozentrische Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung wird in den Abschlussdokumenten der Konferenz (insb. „Rio-Deklaration“ und „Agenda 21“) prägend verankert.

Die Agenda 21 enthielt in Kapitel 28 enthielt die Anforderung an die Kommunen in allen Staaten, ihrerseits eine kommunale Agenda 21 in einem Dialogprozess mit den Bürgern, den zivilgesellschaftlichen Akteuren und der Wirtschaft zu erarbeiten.

Sustainable Development Goals

Die Sustainable Development Goals

Auf der Rio-Folgekonferenz Rio+20, die 2012 wieder in Rio de Janeiro stattfand, wurde beschlossen, aus dem Ansatz der Agenda 21 und dem Ansatz der Millenniumsziele ein aktuelles und wirksameres Instrument zu entwickeln, das die Konkretheit und Umsetzungsorientierung der Millenniumsziele mit dem thematisch breit gefassten Anspruch nachhaltiger Entwicklung und dem Fokus auf alle Staaten der Erde verbindet. Dieses Dokument wurde 2015 in New York als Sustainable Development Goals (SDGs) bzw. 2030-Agenda verabschiedet. Mit diesen SDGs entstand ein Impuls, die internationale Nachhaltigkeitsbewegung zu erneuern und stärkere Umsetzungsinstrumente zu etablieren.

Bild Nachhaltigkeitsstrategie

Umsetzung der globalen Beschlüsse im nationalen und regionalen Kontext

Auf der nationalen Ebene wurde im Jahr 2002 mit dem Dokument „Perspektiven für Deutschland“ erstmals eine fachübergreifende Bundesnachhaltigkeitsstrategie verabschiedet.

Bereits im Jahr 2001 berief die Bundesregierung einen Rat für nachhaltige Entwicklung, der insbesondere den Umsetzungsprozess der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie kritisch begleitet.

Im Jahr 2016 wurde eine grundhafte Fortschreibung der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie auf der Basis der 2015 beschlossenen Sustainable Development Goals vorgelegt und im Januar 2017 beschlossen. In dieser Strategie wird das Zielsystem der SDGs als Gliederung übernommen und der nationale Beitrag zur Erreichung dieser Ziele bestimmt.

In Sachsen wurde eine Nachhaltigkeitsstrategie anlässlich des 300. Jubiläums der Herausgabe der „Sylvicultura Oeconomica“ von Carlowitz beschlossen. Inhaltlich steht diese jedoch weder in einem deutlichen Zusammenhang zur Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie noch knüpft sie inhaltlich an das Niveau der Strategien in anderen Bundesländern an. Im Jahr 2018 wurde eine neue, fortgeschriebene Fassung der Nachhaltigkeitsstratgie beschlossen, die sich jetzt auch an den SDGs und der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ausrichtet.

Zielbild Stadt Leipzig

Leipziger Agenda 21 und INSEK

In der Stadt Leipzig wurde die Beschäftigung mit nachhaltiger Entwicklung explizit mit dem Start des Leipziger Agenda21-Prozesses im Jahr 1997 aufgenommen, in dem die Stadtverwaltung gemeinsam mit Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft u.a. ein Nachhaltigkeitsprogramm erarbeitete. Im Jahr 2000 wurde das Konzept „Visionen und Programm für eine dauerhaft lebenswerte und lebendige Stadt“ veröffentlicht und von ca. 100 Institutionen der Stadtgesellschaft, so auch 2001 durch den Stadtrat beschlossen. Der kommunale Umsetzungsprozess erfolgte jedoch ohne Ergänzung institutioneller Strukturen oder Ressourcen, so dass der Effekt fragmentarisch blieb.

Im Jahr 2009 verabschiedete der Stadtrat erstmals ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept, in dem ansatzweise Fachpolitiken durch räumliche Überlagerung verknüpft wurden und Schwerpunktgebiete der Stadtentwicklung mit jeweils spezifischen Entwicklungszielen herausgearbeitet wurden. Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung wurde dabei noch als sektorales Ziel mitgeführt. In der Vorbereitung zur Fortschreibung dieses Konzeptes wurde das grundlegende Zielsystem überarbeitet und als Oberziel „Leipzig wächst nachhaltig“ verankert. Damit werden jetzt alle Fachziele auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit betrachtet und bewertet. Das neue Integrierte Stadtentwicklungskonzept (INSEK) aus dem Jahr 2018 nimmt auch auf die SDGs Bezug und zeigt auf, welche Ziele in welcher Weise im Rahmen des Konzepts untersetzt werden.